Dieser Artikel ist der Beitrag von Janna Häcker für das Enchanting Travels Reisestipendium. Lassen Sie sich inspirieren und vom Fernweh packen.
Dieser Artikel ist der Beitrag einer Bewerberin für das Enchanting Travels Reisestipendium. Jedes Jahr vergeben wir ein Reisestipendium an einen talentierten Nachwuchsreisejournalisten und veröffentlichen die besten Einsendungen. Der Gewinner wird per Abstimmung auf unserer Facebookseite bestimmt.
Muzungu, Muzungu!
Alles ist erdrückend: die schwüle Luft, der salzig-schweißige Geruch, den sie mit sich trägt, die Menschentraube, die sich um uns sammelt. Alle schreien sie uns an, alle wollen sie uns über’n Tisch ziehen, alle strecken sie uns gegrillte Hähnchen am Spieß entgegen, alle sehen sie gleich aus.
Es ist ganz grausam wundervoll.
Grausam für die Reisekranke, die schon zu lange unterwegs ist und einfach nicht mehr kann. Wundervoll für die Reisefiebernde, die endlich angekommen ist in Weitweitweg.
T.I.A. This is Africa. Kampala’s riesiger Taxipark um genau zu sein.
In dem Moment bin ich mir sicher: dieser Ort befindet sich auf einem anderen Planetens: „Matatus“ soweit das Auge reicht, wie eine Herde weißer Blechkühe in einer unendlich großen Grube versammelt, ringsherum eingezäunt von bunten Häuschen.
Überall wuseln sie herum, Menschen, jeder auf seine Art und Weise geschäftig: das kunterbunte Passagiervölkchen, der kuriose Fahrerclan, der noch kuriosere Connectorsclan und dazwischen fliegende Händler, die tatsächlich durch den großen Menschenklumpen zu fliegen scheinen.
Es ist das größte Wirrwarr, das man sich vorstellen kann, aber irgendwie scheint es zu funktionieren. Irgendwie scheint dieses Chaos ein System zu haben, nachdem es tagein tagaus wieder von neuem beginnt. „Und ich versichere dir,“ höre ich irgendwoher eine Stimme sagen, „Wenn du in zwei Wochen wieder hierher kommst, hast du es begriffen“.
Welcome to Uganda!
Doch erstmal folgen 6 Stunden Nightmare.
Zusammengefasst heißt das folgendes: Ein zu kleines Matatu für zu viele Menschen, Hühner und Gepäck. Das Einla- den ist wie eine Partie Tetris. Über Sicherheitsmaßnahmen sollte man sich sowieso nicht den Kopf zerbrechen. Stra- ßen, die schwer als solche zu erkennen sind mit Löchern so groß wie Meteroitenkrater, was natürlich ein gewisses Wendegeschick des Fahrers verlangt. Dieser fährt frei nach dem Motto „je schneller, desto schneller sind wir durch“. Kotztüte, gleichgültige Blicke meiner Mitfahrer und eine wundervolle frische Brise Fahrtwind, der durchs offene Fenster kommt.
Es ist so herrlich, dass ich nach 6 Stunden fast gar weinen muss, als es zu Ende ist. Wir sind endlich da angekommen, wo uns der Zufall hinverschlagen hat: Tororo!
Naja nicht ganz der Zufall.
Hätte man mir vor einem Monat gesagt, dass ich über den Jahreswechsel in Uganda sein werde, hätte ich vermutlich gelacht und meinen „Hach, bist du lustig“-Blick aufgesetzt. Aber dann kam Flo um die Ecke und gemeinsam beschlossen wir, seine Freundin Lotte auf ihrer Stippvisite bei „Streetways Uganda“ zu begleiten und das Ganze, ganz immer Sinne des fleißigen Medienstudenten, der sogar in den Ferien freiwillig „arbeitet“, filmisch zu dokumentieren.
„Streetways Uganda“ ist eine Organisation „die sich zum Ziel gesetzt hat, Straßenkinder aus Tororo innerhalb eines sicheren Umfelds unterzubringen, um sie dort mit Schulbildung und den Lebenshaltungskosten zu unterstützen“, um das mal ganz frei direkt von der Webseite zitieren zu dürfen. Dabei arbeiten Freiwillige von Deutschland und von Uganda aus. Lotte, ebenfalls Gründerin, ist eine davon und hat für ihren zweiwöchigen Besuch, nun Flo und mich im Gepäck. Nach dem ganzen Anreisestress schlagen wir uns dann aber ganz gut, nehmen das „TIA“-Manta ganz tief in uns auf und lassen uns von Land und Leuten so sehr faszinieren, dass dieser erste Afrika Aufenthalt für uns beide nicht der letzte sein wird.
Wir verbringen viel Zeit mit den Kindern von „Streetways Uganda“. Momentan sind es genau zehn Jungs, die meis- ten sind Waisenkinder oder wurden von der Familie verstoßen.
Bevor sie zu „S.U“ kamen, lebten sie auf der Straße, verdienten sich ein bisschen etwas indem sie Schrott sammelten und zum Schrottplatz brachten. So wurden auch Lotte und ihre Freunde während ihres freiwilligen Jahres auf die Kids aufmerksam und gründeten daraufhin das Projekt. Nur unwesentlich älter als die Jungs, sind wir vom ersten Moment an akzeptiert und in ihre „Teenagegang“ integ- riert. Natürlich sind sie von unserem Kameraequipment noch wesentlich faszinierter als von uns Bleichgesichtern. Wir teilen gerne. So kommt jeder mal an die Reihe, sowohl als Model, wie auch als Fotograf. Das mit dem durch den Sucher schauen und Schärfe einstellen funktioniert zwar nur mäßig, aber dafür gibts ja den Automatikmodus. Lustig ist auch der Fakt, dass es die Jungs gar nicht wirklich interessiert, wie das Foto aussieht, oder wie sie selbst auf dem Foto aussehen. Die Tatsache, dass es nun eine bildliche Verewigung von ihnen gibt, reicht anscheinend aus.
Lotte und ihren Kollegen kommt die Beschäftigungtherapie ganz gelegen, denn es gibt einiges zu regeln. Sie müs- sen Kosten kalkulieren, mit dem Direktor der Schule sprechen, wo die Jungs untergebracht sind. Es ist nicht einfach. Falsche Realitätswahrnehmungen und die Vorstellung, das „Streetways“-Geld würde eine Schulsanierung finanzie- ren, verlangsamen den Prozess immer wieder. Lotte versucht zu verdeutlichen, dass erst einmal vernünftiges Essen für die Kinder das wichtigste ist, aber auch hier wird an der Realität vorbei gerechnet: So wird für alle zehn Kinder zusammen ein halbes Kilo Salz pro Tag, aber nur eine Rolle Klopapier pro Kind im Monat verlangt. Und anstatt neuer Betten, soll in einen „table tennis teacher“ investiert werden.
Es ist krass zu sehen, dass die „weiße“ Hautfarbe sofort mit Geld assoziiert wird. Selbst ein gebildeter, weit gereister Schuldirektor glaubt zu wissen, dass wenn ein Weißer hier im Land helfen will, er das nur mit viel Geld zu tun ver- mag. Deshalb ist es schwierig für Lotte und die anderen auf einer vernünftigen Basis sprechen zu können und die Leute von der Arbeit ihres Projektes überzeugen zu können. Nichtsdestotrotz haben sie Erfolg, man trifft sich irgendwo und am Ende sind alle zufrieden. Vorerst. In Uganda braucht man Geduld und Zeit.
Unsere Zeit ist aber schon nach zwei Wochen wieder zu Ende. Es ist für alle ein bisschen traurig, die Kinder zu verlassen, wir haben uns gegenseitig ins Herz geschlossen. Aber „Streetways Uganda“ hat gerade erst begonnen.